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Die Feuersbrunst von 1849 - ein tiefer Einschnitt in der Entwicklung Rundings

Markante, bisweilen schicksalhafte Augenblicke, die fast alles aus der gewohnten Bahn werfen und tiefgreifende Veränderungen bewirken, gibt es nicht nur im Leben eines einzelnen Menschen, sondern auch in der Geschichte einer menschlichen Gemeinschaft.

1849 brach über die Ortschaft Runding, die bis 1880 noch Pachling hieß, ein Unglück dieser Art herein. Es hinterließ tiefe Spuren im gesamten Ortsbild, in der Psyche der Dorfbewohner und in deren ohnehin kärglich gefüllten Geldbeuteln. Am 7. März 1849 zerstörte eine verheerende „Feuersbrunst” den Kern und den nordöstlichen Teil des Dorfes.

Der damalige Pfarrer Anton Wening berichtet als Augenzeuge über dieses bittere Ereignis im „Haupt-Buch der Pfarrey des Pfarramts Pachling”. Lassen wir ihn einfach zu Wort kommen:
Nachts von 10 ½ (22.30 Uhr) brach plötzlich in dem Stadeleck des Hufschmids Sebastian Bücherl von hier in den am Häuschen befindlichen Reißerbündeln Feuer aus, welches in (einer) Zeit von 1 ½ Stunden Brandkarte

  1. das Schmidhaus samt allen Nebengebäuden (Hufschmid Bücherl, Hausnr. 18),
  2. das Schulhaus (auch Mesnerhaus, unmittelbar vor dem Kirchturm, Lehrer Simon Bschiwohl, Hausnr. 3),
  3. die Pfarrkirche samt Thurm und den 4 Glocken (Hausnr. 45),
  4. das Metzgerhaus (Xaver Mittelholzer, Hausnr. 17),
  5. das Haus des Benedikt Holzinger mit Stadl (Gütler, Hausnr. 16),
  6. das Wirths- (Anton Mittelholzer, Hausnr. 15) und
  7. das Bäckerhaus samt allen Nebengebäden (Andrä Windmaißinger, Hausnr. 8),
  8. das Haus des Häuslers Wolfgang Pfeiffer mit Stall und Stadel (Gütler, Hausnr. 14),
  9. das Haus des Häslers Joseph Mühlbauer mit Stadl (ehemals Wagner) (früher Hutter, Hausnr. 13),
  10. das Häusl des Georg Zwink mit Stadl (Scheibeck) (Hausnr. 9),
  11. des Georg (Platl), Schreiner, Häusler samt Stadl (Hausnr. 7),
  12. das Haus des Georg Brandl samt Stadl (Hausnr. 6),
  13. das Haus des Xaver Griesbeck, Schneider daselbst samt Stadl (Hausnr. 43½, ehemaliges Gerichtsdienerhaus der Herrschaft Runding),
  14. der Pfarrhof mit allen Nebengebäuden (Hausnr. 2),
  15. das Häusl des Schreiners Michl Halter (wahrscheinlich Hausnr. 5),

in Asche gelegt (hat).

 

Die Nacht hatte mit Mondschein am wolkenlosen Himmel eigentlich nichts Außergewöhnliches an sich. Nur ein kräftiger Südwind blies von Chamerau herüber, der das Feuer mächtig anfachte und die aufstiebenden Funken mit sich fortriss, so dass im Nu die Holzhäuser in der ganzen Umgebung lichterloh in Flammen standen. Angesichts der rasanten Ausbreitung des Brandes und des heillosen Durcheinanders von Entsetzensschreien, Hilferufen, Tiergebrüll und verwirrt umherirrenden Menschen war an eine geordnete Bekämpfung der allerorts aufflackernden Brände gar nicht zu denken.

Wie durch ein Wunder kam in diesem Inferno kein Mensch ums Leben. Nur das Vieh konnte nicht vollständig in Sicherheit gebracht werden. Es verendeteten laut Wening „6 Stück Rindvieh beym Bücherl, Schmid, 2 Stück beym Scheibeck (Zwink), 2 alte und 1 junges Pferd beym Wirth, 6 Gänse beym Bäcker, 6 detto (ebenso) im Pfarrhof und detto im Schulhaus”.

Obwohl bei der Schlossbrauerei ein Dorfteich zur Verfügung stand, klagt Wening über „großen Wassermangel”. „Die vom Landgerichtsbezirk Cham angeschaffte Feuerspritze (175 Gulden werth), welche der Schmied auf seinem Boden aufbewahrte, verbrannte ebenfalls. Die Bürger von Cham kamen mit ihrer Feuerlöschmaschine erst, nachdem der Pfarrhof brannte, alles Uebrige war schon abgebrannt.
Im Pfarrhofe verbrannten dem bisherigen Pfründebesitzer Anton Wening alle Tische und Sessel, 2 Wägen, 2 Pflüge, 2 Eggen. Alle Getreide- und Futtervorräthe, mehrere Stück Leinwand
(Leinentücher), Laib- und Tischwäsche, Flachs, viel Eisenzeug usw. Nur die 2 neuen Taufbücher samt dem schönen Meßgewand und Kelche, die im Pfarrhof aufbewahrt wurden, konnten gerettet werden”.

Aber nicht allein wegen der eben aufgeführten Verluste war die Einäscherung des Pfarrhofes besonders bitter: Der Westteil, in dem sich der Stall befand, war erst 1847 für 200 Gulden neu errichtet worden. Zudem hatte die Kirchenverwaltung noch im Februar 1849 für den Pfarrer einen Plattenofen um 28 Gulden setzen lassen, der also nach kaum vierzehntägigem Gebrauch wieder zerstört war. Auch früher schon - im Jahr 1694 - wurde das Anwesen des Pfarrers durch einen Blitzschlag ein Raub der Flammen. Damals wurde der jetzige alte Pfarrhof ziemlich genau in der Mitte zwischen alter Pfarrkirche und Kapelle auf dem Schloßberg errichtet, da beide vom Pachlinger Pfarrer betreut werden mussten. Der mächtige Pfarrstadel geht übrigens auf den Wiederaufbau nach 1849 zurück.

Als hätte das Feuer nicht genug Schaden angerichtet, zogen die Brandstätten allerlei Diebesgesindel an - ob aus dem Dorf oder von auswärts, lässt Wening offen:
„Gestohlen wurde bei dieser Gelegenheit auf unerhörte Weise, besonders Eisen. Auch ein kleiner Meßkelch, zur Kirche Haidstein gehörig (12 Gulden im Werth), ward entwendet. Die innere Einrichtung der Kirche wurde größtenteils gerettet bis auf Kanzel und Orgel... Die Hälfte der (vier) gußeisernen Glocken und einige Glockenspeise erhielt sich noch. Das Elend war grenzenlos.”

Einer von den abgebrannten Häuslern (Georg Zwink) war gar nicht versichert - es wundert nicht, dass er sein Sechzehntelgütl nicht mehr errichten konnte -, die anderen nur gering. Der Hufschmied Bücherl hatte eine Brandassekuranz mit einer Summe von 350 Gulden, der Bäcker Windmaißinger eine von 400 Gulden, andere von 200, 150, 100 und 50 Gulden abgeschlossen. Besser abgesichert waren dagegen das Wirtshaus Mittelholzer mit 2500 Gulden, der Pfarrhof mit 1440 Gulden, die Kirche samt Turm mit 3500 Gulden und das Schulhaus mit 1200 Gulden. Zur Orientierung: Der Tagesverdienst eines Mauerers oder Zimmerers betrug damals 42 Kreuzer, weniger als drei Viertel eines Gulden.

„Die Ursache des Entstehens (des Brandes)” schrieb Wening, „war wahrscheinlich Fahrlässigkeit von Seite des Schmids, der seinen Schwager Xaver Kattun mit Spanlicht im Stadl um Futter schickte.”

Dieser Verdacht steht allerdings im Widerspruch zum Entstehungsort in den Reisigbündeln vor dem Stadel. Er stellte sich später tatsächlich als unbegründet heraus. Der Chamer Historiker Joseph Rudolph Schuegraf schrieb dagegen von dem Gerücht, dass ein herumstreunender Handwerksbursche das Feuer gelegt haben soll, weil er mit einer Bettelgabe unzufrieden war. Letztendlich aber konnte die Brandursache niemals geklärt werden.
Welches Schicksal dem Chronisten selbst widerfuhr, schilderte er wie folgt: „Pfarrer Wening mußte sich im Negligé retten. Er erlitt einen Schaden von 2000 Gulden (und) hatte keine Herberge, bis Herr Verwalter Reiß von hier ihn in sein altes Jägerhaus aufnahm, welches aber weder Stadl noch Stall und Holzschuppen hatte. Er war gezwungen, seine 2 Schweine, Pferde und Kühe um geringen Preis zu verkaufen.”

Reiß verwaltete für die Erbgemeinschaft des Münchner Hofbankiers Jakob von Hirsch die Ländereien des ehemaligen Schlosses Runding. Aus dem Schlossgärtnerhaus, später auch Jägerhaus genannt, und dem zugehörigen Rosengarten entwickelte sich das Anwesen des Bauern Andrä Schätz. In diesem Bereich befinden sich heute der Gemeindebauhof und das 1989 eingeweihte neue Feuerwehrhaus. Übrigens gehörte Joseph Schätz, der Sohn von Andrä zu den Gründungsmitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Runding und war auch ihr erster Vorstand.

„Am 17. Oktober 1849 zog Pfarrer Wening vom Jägerhaus aus und nach Lufling zum Josef Schmucker (Mathes), wo er seine 2 Pferde und Kühe hatte. Einige Tage vorher hatte eine ledige Weibsperson von Pachling beym Kirchenpfleger (Schiedermeier) wieder einen Versuch gemacht, anzuzünden, was jedoch bemerkt wurde.”

Die Beschreibung des Unglücks beschließt Wening mit der lateinischen Redewendung „O me miserum, o me afflictum - O ich Elender, o ich Geschlagener”. Er konnte beim Niederschreiben dieser Worte nicht ahnen, dass er noch im November desselben Jahres bei Altenstadt den Tod durch Ertrinken finden sollte.

Drei neue Glocken erachtete die Kirchenverwaltung Pachling nach der Brandkatastrophe als das Vorrangigste, um wieder zu einem geregelten Alltag zurückfinden zu können. Bereits im April 1849 wurden sie beim Glickengießer Spannagl in Regensburg bestellt. Und im September bestimmten sie wieder den Takt der Werk- und Feiertage im Dorf. Allerdings hatte die Kirchenverwaltung Schwierigkeiten, die Rechnung in vollem Umfang zu begleichen. Daraus entwickelte sich ein Streit, der sich über Jahre hinzog und in den auch das Landgericht Cham eingriff. Beinahe hätte die ganze Angelegenheit in einem finanziellen Chaos geendet.

Von einem geordneten kirchlichem Leben konnte ebenfalls keine Rede sein. Während der Sommermonate mussten die Dorfbewohner zur Sonntagsmesse auf den Haidstein wandern, im Winter begnügte man sich mit dem notdürftig überdachten Seelenhaus. Am 1. November 1850 war die Pfarrkirche so weit wiederhergestellt, dass sie mit Erlaubnis des Bischöflichen Ordinariats von Pfarrer Fischer vorläufig konsekriert wurde und damit für den Gottesdienst benutzt werden konnte. Erst am 6. Juli des Jahres 1871 wurde die im Prinzip neuerbaute Pfarrkirche von Bischof Ignatius aus Regensburg feierlich eingeweiht.

Für die Kinder fand der Unterricht mit Lehrer und Mesner Simon Bschiwohl vorrübergehend in der Wohnstube des Kirchenpflegers Johann Schiedermeier statt. Er erhielt dafür eine geringfügige Vergütung. Diese Notlösung musste über vier Jahre herhalten, bis im September 1853 das neue Schulhaus an anderer Stätte - heute steht dort ein Bankgebäude - bezogen werden konnte. Der Platz, wo sich das alte Schul- und Mesnerhaus befand, ist bis heute frei geblieben.

Auch die übrigen Brandleider hatten große Mühe, wieder ihrer gewohnten Arbeit und ihrem Gewerbe nachgehen zu können. Der Bäckermeister Martin Windmaißinger zum Beispiel, dessen Anwesen (Hausnr. 8) vollständig ein Raub der Flammen geworden war, war erst Mitte Oktober in der Lage, seinen Schwarz- und Weißbrotverkauf wieder aufzunehmen. In der Zwischenzeit war ihm mit dem Tischler Michael Halter allerdings ein mächtiger Konkurrent erwachsen, der mit seiner Familie nebenher einen regen Brothandel betrieb.

Die äußeren Spuren des Brandes wurden zwar im Laufe der nächsten Jahre - besser Jahrzehnte - immer mehr beseitigt, die leidvolle Erfahrung war aber keineswegs in Vergessenheit geraten. Dies wurde in bedrückender Weise wieder gegenwärtig, als am 21. Juli 1873 ein Drittel der Stadt Cham in unglaublicher Schnelligkeit niederbrannte.
„Vom Fremdenzimmer (des Pfarrhofes) aus sah man mitten in dieses furchtbare Feuer, das so groß war, daß man nicht leicht ein größeres gesehen hatte. Auch bran(n)te es im Jahr 1873 noch in Michelsdorf, bald nach dem Brande in Cham (auch) in Schachendorf, Willmering und Gredlmühle”, so berichtet Pfarrer Dinauer ebenfalls im Hauptbuch der Pfarrei.

Dies muss wie ein Schock auf die Bevölkerung von Pachling gewirkt haben. Die Hilflosigkeit gegenüber solchen Katastrophen wurde ihnen noch einmal schmerzlich bewusst. Mit Sicherheit war es ein entscheidender Grund dafür, dass sich im Mai 1874 - 25 Jahre nach der Feuersbrunst - einige rührige und beherzte Männer zusammenfanden und die Freiwillige Feuerwehr Runding ins Leben riefen - sehr zum Wohle und Nutzen des wiederaufstrebenden Dorfes und seiner Bewohner.

Entnommen aus der Festschrift zum 125jährigen Gründungsfest der FFW Runding, Autor: Ludwig Biebl
Quellen:
Pfarrarchiv Runding; Hauptbuch der Pfarrei und weitere Dokumente
Gemeindearchiv Runding
Archiv des Vermessungsamtes Cham; Liquidationsprotokolle der Steuergemeinde Runding von 1839; Urkatasterplan und Überarbeitungen